Bitcoins statt Bomben

Russlands Präsident Wladimir Putin beklagt, dass Krypto-Miner Stromausfälle in seinem Land verursachen. Tragen die Miner damit zur unfreiwilligen Abrüstung bei?

Eine der neueren Killer-Apps des Bitcoin-Minings ist es, dass nicht ganz so demokratische Regierungen den Minern die Schuld geben, wenn das Stromnetz schwächelt.

Nach Venezuela und dem Iran nimmt nun offenbar auch Russland diese Funktion in Anspruch. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte jüngst in einem Video zu wirtschaftlichen Fragen, dass unreguliertes Krypto-Mining Russlands Stromnetzwerk beeinträchtige und weit verbreitete Blackouts verursache.

„Ein unkontrollierter Anstieg des Elektrizitätsverbrauchs, um Kryptowährungen zu minen, kann in verschiedenen Regionen zu Stromknappheit führen“, erklärte Putin. „Krypto“ meint in dem Sinne Bitcoin.

Das Energieministerium Russlands schätzt, dass das Krypto-Mining etwa 16 Milliarden Kilowattstunden im Jahr verbrauche, was etwa 1,5 Prozent von Russlands gesamtem Stromverbrauch entspreche. Damit würde ewa ein Zehntel des gesamten Verbrauchs von Bitcoin auf Russland entfallen, was etwas hoch gegriffen scheint.

Wenn dem tatsächlich so wäre, wenn also das Bitcoin-Mining zu Stromknappheit in Russland führen würde, wäre dies eine begrüßenswerte Entwicklung. Denn mit dem Strom, den die Miner verbrauchen, werden keine Bomben und Waffen gebaut. So könnte Bitcoin mehr zum Frieden beitragen als manche Sanktionen.

Überaltete Netze und illegale Farmen

Allerdings klingt wenig glaubwürdig, dass lächerliche 1,5 Prozent mehr Verbrauch die Stromnetze von Russland an die Belastungsgrenzen bringen.

Tatsächlich hängt jedoch vieles von den Regionen ab. So gilt etwa die nordkaukasische Republik Dagestan als Mining-Hotspot in Russland. Die günstigen Strompreise und die lasche Aufsicht haben viele Miner angelockt, die oft auch in illegalen Farmen unkontrolliert Strom ziehen, zum Teil auch stehlen.

Erst 2023 haben Behörden 16 illegale Mining-Farmen in Dagestan geschlossen. Viele Bewohner berichten davon, wie plötzlich alte Industrieanlagen wieder in Betrieb genommen wurden und es danach zu häufigen Stromausfällen kam. Vor etwa einem Jahr legte ein Stromausfall in mitten einer Hitzewelle die Klimaanlagen mehrere Tage lang lahm, was zu weiten Protesten in der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala führte.

Auch in anderen Regionen des Landes häufen sich derzeit die Stromausfälle, etwa in Nordossetien, Tschetschenien, Kabardino-Balkarien, Karatschai-Tscherkessien, Krasnodar oder Rostow. Die meisten dieser Regionen liegen im Süden des Landes, wo die Klimaanlagen derzeit wegen der hohen Temperatur den Stromverbrauch treiben.

Als Grund für die Stromausfälle nennt die Moscow Times vor allem eine überaltete Infrastruktur. Wie stets, wenn sich ein Land darauf konzentriert, Krieg zu führen, hat dies einen Preis. Ein Atomkraftwerk wird gedrosselt, wegen Wartungsarbeiten und Störungen fallen einzelne Elemente des Netzes aus, die Sanktionen machen es schwierig, westliche Bauteile zu ersetzen, und die ukrainischen Drohnenangriffe auf Raffinerien entfalten ebenfalls ihre Wirkung.

Politik mit Widersprüchen

Allerdings machen es sich manche Beobachter zu einfach, wenn sie Putins Behauptung, die Miner seien schuld, als „typische russische Lügen“ zurückweisen oder schlicht „lächerlich“ nennen.

Denn nicht nur kann die klumpenartige Konzentration der Mining-Farmen regional weit mehr als nur 1,5 Prozent des verfügbaren Stroms verbrauchen. Sondern manche Experten, wie ein Vertreter des russischen Mining-Unternehmens BitRivet, meinen, dass die von der staatlichen Energiebehörde genannten 1,5 Prozent viel zu tief greifen. Sie fassten nur die offiziellen, unternehmerischen Farmen, ignorierten aber das private Mining, das mindestens nochmal so viel ausmache.

Je wichtiger Bitcoin für Russen wird, desto stärker sind die Anreize fürs Mining. Zusammen mit dem günstigen Strom und den teilweise maroden Netzen kann das der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Wenn Putin also die Sorgen regionaler Behörden zitiert, dass das Bitcoin-Mining „neue Unternehmen, Wohnzentren und soziale Einrichtungen mit Störungen der Versorgung bedrohen kann und vielversprechende Investments und Infrastrukturprojekte verzögert“, kann dies zwar Propaganda sein, um von den hausgemachten Problemen ablenken – es kann aber auch durchaus einen wahren Kern haben.

Russlands Staatsoberhaupt fordert nun die Duma dazu auf, ein föderales Gesetz zu verabschieden, um die Besteuerung und Regulierung von Minern zu vereinheitlichen. Insbesondere sollen wohl spezielle Strompreise für Miner greifen.

Zugleich hat die Duma erst eine Woche früher einen Gesetzentwurf genehmigt, der Mining legalisiert. Der November 2022 vorgelegte Entwurf stellt das Mining in Russland erstmals auf eine gesetzliche Basis – verbietet aber gleichzeitig die Zirkulation von digitalen Währungen im Land. Russlands Krypto-Politik bleibt damit so widersprüchlich wie eh und je.

Quelle: bitcoin.de