Cashlink: Tokenisierung im Rahmen des deutschen Rechts

Mit dem eWPG formuliert Deutschland seine eigene Version des Krypto-Wertpapieres. Unter den Finanzunternehmen, die diese umsetzen, hat Cashlink derzeit den größten Erfolg. Grund genug, sich das Unternehmen anzuschauen.

Wer gerne Galgenmännchen spielt, sollte die Lauscher öffnen: Das Frankfurter Unternehmen Cashlink ist der erste vollständig lizenzierte „Kryptowertpapierregisterführer“ nach dem elektronischen Wertpapiergesetz. Es hat bereits 250 Arten von Wertpapiere als Token auf die öffentlichen Blockchains Ethereum und Polygon gebracht.

Damit spielt Cashlink eine entscheidende Rolle beim Aufbau eines Ökosystems, das man die bundesdeutsche Version von Dezentralen Finanzen (DeFi) nennen könnte: kleiner und harmloser, ein wenig verkopfter, aber im Einklang mit den Vorgaben des Gesetzgebers und Anforderungen institutioneller Investoren und regulierter Finanzinstitute.

Die Kryptowertpapiere sind das deutsche Äquivalent zu dem, was im breiteren Kryptomarkt „Real World Assets“ genannt wird, kurz RWA. Dies meint, dass man traditionelle Wertpapiere einschließlich der mit ihnen einhergehenden regulatorischen Auflagen zum Token macht und auf die Blockchain bringt.

Um zu verstehen, wie der deutsche Sonderweg bei der Tokenisierung der Welt abläuft, lohnt es sich, mit Cashlink zu reden.

„In das Bitcoin-Rabbithole“

Simon Censkowsky, der bei Cashlink für die Geschäftsentwicklung zuständig ist, hat sich die Zeit genommen, uns zu erklären, wie bei Cashlink tokenisiert wird.

Simon heuerte bei der Firma vor etwa fünf Jahren an, nachdem er einen BWL-Master mit einer Arbeit über „Distributed Ledger Technologien (DLT)“ abgeschlossen hatte. Er versteht sich selbst als Idealist – und sogar als Bitcoiner: „Ich bin 2016 tief in das Bitcoin-Rabbithole gefallen und habe mich daher bei jeder Firma beworben, die etwas mit Krypto macht.“

Cashlink hatte als Zahlungsdienstleister für für P2P Zahlungen, ähnlich wie Paypal, gestartet. Als sich das Unternehmen dann aber selbst tokenisierte, um durch Genussrechte Kapital einzuholen, erkannte es, dass die Methode der Tokenisierung ein wertvolleres Produkt war als die Dienstleistung an sich. Also bot es dem Markt diese an – und traf einen Nerv.  Aus der schlichten technischen Infrastruktur erwuchs ein Gesamtprodukt, das auch Smart Contracts, Regulierung und Geldwäsche-Prävention umfasst.

Als die Bundesregierung das eWPG verabschiedete und damit Kryptowertpapiere einführte, war Cashlink bestens aufgestellt, um zum Hauptakteur in diesem regulatorischen Rahmen zu werden: zum „Kryptowertpapierregisterführer“.

Was ein Kryptowertpapierregisterführer macht

Ein Kryptowertpapierregisterführer ist, könnte man sagen, die verbleibende zentrale Instanz im Wertpapierhandel, den das eWPG sachte und ohne Kontrollverlust dezentralisieren möchte.

Am einfachsten versteht man dies, wenn man den Status quo betrachtet: Aktien benötigen eine physische Urkunde, die bei einem Zentralverwahrer liegt. In Deutschland bedeutet das vor allem, dass das Frankfurter Unternehmen Clearstream alle Aktien in einen Tresor einlagert. „Das müssen riesige Stapel Papier sein. Mit der Abbildung der Wertpapiere im Rahmen des eWPG können wir uns diese sparen“, meint Simon.

Das eWPG erlaubt seit 2021 nun auch dematerialisierte Ausgaben von Wertpapieren. Zumindest im Grundsatz und in Teilen. Eine Form des elektronischen Wertpapiers ist das Kryptowertpapier. Dieses wird in „dezentralen Aufzeichnungssystemen“, also Blockchains, gespeichert und transferiert.

Allerdings verlangt das eWPG einen „Kryptowertpapierregisterführer“, der eine zentrale Kontrolle darüber ausübt. Dieser hat dafür zu sorgen, dass traditionelle gesetzliche Auflagen auch bei Kryptowertpapieren greifen: Die Besitzer müssen identifiziert sein, die Accounts konfiszierbar, Transaktionen blockierbar sein und so weiter. „Blockchain“ soll auf die Aspekte reduziert werden, die man beherrschen kann.

Cashlink ist ein solcher Kryptowertpapierregisterführer. „Wir durften bereits seit 2022 unter einer vorläufigen Lizenz operieren. Mittlerweile haben wir als erstes deutsches Unternehmen die volle Lizenz erhalten. Das gibt uns einen Vorsprung.“ Das Unternehmen brachte schon vorher tokenisierte Wertpapiere auf die Blockchain, mit dem eWPG macht es dies nun in einem sicheren rechtlichen Rahmen.

Wie Token – nur ohne das Beste

In der Praxis läuft das so: Cashlink führt einen Smart Contract auf der Ethereum- und Polygon-Blockchain. Dieser Smart Contract ist so geschrieben, dass er Cashlink, als Besitzer des Masterkeys, die nach eWPG notwendigen Rechte gibt.

Wenn ein Emittent nun ein Kryptowertpapier herausgibt, reicht er über eine API-Schnittstelle bei Cashlink private Daten der Besitzer der Wertpapiere sowie eine Wallet-Adresse ein. Wenn diese Daten gültig sind, kommt der Empfänger auf eine Whitelist und das Token wird in seine Wallet gemintet.

Die Token liegen danach in einer Wallet, und der Besitzer kontrolliert die Schlüssel. Übertragen kann er die Kryptowertpapiere allerdings nur an Wallets, die ebenfalls auf einer Whitelist stehen. Dies wird verkompliziert, da die Whitelist rechtlich nicht teilbar ist.

Ein Beispiel mit zwei Kunden von Cashlink: Auf Wiwin.de kann man tokenisierte Investments in erneuerbare Energien kaufen, auf Arttrade.io Kunstanteile. Beide Plattformen führen Whitelists. Doch man kann ein Kryptowertpapier, das man auf Wiwin erworben hat, nicht an jemanden übertragen, der sich auf Arttrade verifiziert hat. „Also muss jeder, der ein Token empfängt, sich bei der jeweiligen Plattform registrieren, auf der gekauft oder verkauft wird“, erklärt Simon, und man ahnt schon, dass Kryptowertpapiere in der Praxis etwas sperrig sein werden.

Wer es gewohnt ist, Token in seiner Wallet frei nach Lust und Laune zu überweisen, dürfte an der Stelle ernüchtert sein. Eine Integration in offene DeFis, wie die dezentrale Börse Uniswap, ist unter diesen Umständen erst einmal vom Tisch und wird, falls überhaupt möglich, sehr verkopft sein müssen. Kryptowertpapiere sind wie Token – nur eben ohne die besten Teile.

Ein Fortschritt vom Status quo

Dennoch sind Kryptowertpapiere ein Fortschritt gegenüber dem Status quo. Denn erst einmal stehen in den Registern nicht mehr nur die Depotbanken, sondern auch die Endinvestoren, was diese unabhängig von den Banken macht. Manche Projekte schalten diese Zwischenmänner bereits aus, was den gesamten Prozess verschlankt und rationalisiert.

Im Vergleich zu dem, was die RWA planen, ist das Kryptowertpapier nicht schlecht. Auch RWAs verlangen in der Regel, dass die Herausgeber wissen, wer die Token hält, und in der Lage sind, Adressen einzufrieren. Auch RWA sind derzeit nicht kompatibel mit dezentralen Börsen.

An sich läuft es also auf dasselbe hinaus. Dank des eWPG hat das Kryptowertpapier den Vorteil, dass es bereits auf einer verlässlichen juristischen Basis steht, während man bei RWAs eher noch im regulatorischen Nebel stochert.

Bisher aber tastet sich die Branche erst an Finanzprodukte heran. So werden etwa kaum Aktien tokenisiert, schlicht, weil sie noch zu komplex sind. „Man beginnt mit dem einfachen und arbeitet sich dann voran.“

Was in Zukunft möglich sein wird

Für die Zukunft verspricht sich Simon zunächst, dass möglichst viele Wertpapiere tokenisiert werden.

Dies könnte einige Mechanismen im Finanzwesen effizienter machen. „Etwa das Rebalancing, wenn ein Fonds 60 Prozent Anleihen, 20 Prozent Aktien und 20 Prozent Immobilien hält. Das ist derzeit sehr komplex im Hintergrund zu managen, könnte aber über Smart Contracts stark vereinfacht werden. Im Prinzip erlauben DeFi-Konzepte das schon heute.“

Prinzipiell wäre es im Rahmen des eWPG möglich, dass aktiv gemanagte Fonds Smart Contracts sind. Auch dezentrale Börsen wie Uniswap wären im Rahmen des europäischen DLT-Pilot-Regimes erlaubt. Sie hießen dann „blockchain-basierte multilaterale Handelssysteme.“ 21x.eu aus Deutschland hat bereits eine Lizenz für eine solche erhalten, ist aber, soweit ich es sehe, noch nicht in Betrieb. Schließlich wäre es auch möglich, Dividenden für Anleihen oder Aktien in Stablecoins auszuzahlen, die in der EU gültig sind.

Das ist alles schon mal ein gewisser Fortschritt. Allerdings gibt es noch viele Graubereiche, und vieles muss erst mühsam aufgebaut und tokenisiert werden. Daher ist es noch ein sehr weiter Weg, bis die Blockchain im Rahmen des eWPG ihr Potenzial ausschöpfen kann und für Endnutzer attraktiv wird.

Die Schwierigkeit ist dabei nicht technisch. Die Technologie ist längst da. Das Problem, dem sich Simon und seine Kollegen jeden Tag stellen, ist vielmehr, das technisch Mögliche im Rahmen der regulatorischen Rahmenbedingungen rechtlich umzusetzen.

Quelle: bitcoin.de