Krypto im Strudel des Memecoin-Kollaps
Die Kurse fallen, Bitcoin und andere Kryptowährungen brechen ein. Wie tief? Warum, wieso? Und wie geht es von hier aus weiter? Wir geben euch einen Rundumblick über das aktuelle Kursgeschehen und spekulieren über Gründe und Aussichten.
Nun … da sind wir also wieder. Die Kurse purzeln und wohin ihr schaut, seht ihr rote Kerzen und rote Zahlen. Alles ist im Minus, das eine mehr, das andere weniger.
Wir werden im Folgenden eine kurze Übersicht über das Marktgeschehen geben, dieses in einen etwas weiteren Zeithorizont einordnen, um danach zu fragen, warum die Preise fallen und wohin es in Zukunft gehen kann.
Alles fällt und stürzt
Also, ordnen wir ein, was geschehen ist. Zunächst einmal fiel Bitcoin im Laufe der letzten sieben Tage um gut 7,5 Prozent, von der Spitze bei 99.000 Dollar zum Tiefpunkt bei 86.000 Dollar sogar rund 13 Prozent. So ein Einbruch ist selten.

Bitcoin-Kursverlauf der letzten sieben Tage in Dollar nach coinmarketcap.com.
Dieser Einbruch kommt aber, wie so oft, nicht aus heiterem Himmel, sondern vollendet einen Monat eines eher sinkenden Kurses. So als habe der Markt schließlich akzeptiert, wohin der Preis drückt.
Bitcoin ist freilich nicht der einzige Coin, der leidet. Die gesamte Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen fiel im Laufe des Februars von 3,62 Billionen Dollar auf heute 2,94 Billionen. Der Markt nahm in 30 Tagen um gut 700 Milliarden Dollar ab!
Dementsprechend zieht sich der Crash durch so gut wie alle Coins. Ethereum zum Beispiel sackt von etwa 2.700 auf knapp 2.500 Dollar ab und verliert, vom Scheitel bis zur Sohle, ebenfalls etwa 15 Prozent.
Verheerender sieht es bei Solana aus. Der Konkurrent zu Ethereum fiel im Laufe einer Woche um etwa 18 Prozent, von der Spitze zum Boden sogar um 22 Prozent.
Auch Dogecoin lässt sich nicht lumpen. Mit 17 Prozent im Wochenschnitt und gut 23 Prozent von den Extremwerten aus macht sich der Memecoin ähnlich schlecht wie Solana.
Am schlechtesten aber schneidet Raydium ab. Das Token der größten dezentralen Börse auf Solana beschert Investoren Verluste von rund 50 Prozent in einer Woche.
Es ist kaum zu übersehen, dass sich hier ein harter Crash durch den Markt zieht – aber auch, dass er nicht alle Coins gleich trifft.
Der Kollaps der Memecoins
Zunächst einmal ist Bitcoin, wenn man die Perspektive etwas erweitert, noch deutlich im Plus.
Zwar wird hier etwas wie eine Blase erkennbar, die sich abbaut, aber nach wie vor steht der Bitcoin-Kurs weit über dem Kanal zwischen 50.000 und 70.000 Dollar, in dem er sich den Großteil des vergangenen Jahres bewegt hat. Man könnte sagen, dass hier, bei an sich gesundem Verlauf, lediglich etwas Über-Enthusiasmus abgebaut wird. Zumindest lässt sich das derzeit noch hoffen.
Ein ganz anderes Bild ergibt sich bei Ethereum:
Nicht nur, dass Ethereum im Lauf der vergangenen zwölf Monate daran scheiterte, aus seinem Kanal zwischen 2.300 und 4.000 Dollar auszubrechen – die Kryptowährung legt im Jahresschnitt einen Verlust von fast 25 Prozent hin. Mit derzeit rund 2.480 Dollar ist Ether auf einem der tiefsten Punkte des Jahres. Hier droht nicht, dass der Coin seine bullische Spur verliert – die hatte er das ganze Jahr nicht -, sondern dass er aus dem Kanal herausfällt, zurück in die Regionen unterhalb der 2.000 Dollar, die er noch 2023 bewohnt hat.
Irgendwo zwischen Ethereum und Bitcoin ist in der 1-Jahres-Sicht Solana:
Die Kryptowährung ist zwar noch kräftig im Plus, und zwar mit knapp 30 Prozent. Sie hat aber die Blase, die sie gegen Ende des letzten Jahres ausgebildet hat, wieder fast vollständig abgebaut, und ist zurück in dem Kanal, in dem sie den Großteil des Jahres verbracht hat. Auch hier droht, dass Solana aus diesem Kanal ausbricht, um sich in den Gegenden unterhalb der 100-Dollar-Schwelle niederzulassen, die 2023 noch üblich waren – teilweise weit unterhalb. Anders als bei Ethereum hätte ein hungriger Bärenmarkt hier noch sehr viel mehr Blase, die er abbauen kann.
Dogecoin schließlich ist noch kräftig im Plus – mehr als 100 Prozent – aber hat von der Spitze der Blase, Ende 2024, auch mehr als 100 Prozent verloren. Der Chart zeigt eine weitgehend, aber noch längst nicht vollständig abgebaute Blase.
Eine hübsche Ausnahme bildet übrigens Monero (XMR). Der Privacy-Coin ist zwar auch in dieser Woche leicht mit abgestürzt – allerdings eher kraftlos um gut fünf Prozent, wie aus Solidarität mit dem Rest des Marktes – schert aber im 1-Jahres-Chart deutlich aus: Er stagniert, wenn die anderen fliegen, und er fliegt, wenn die anderen fallen.
Was sagt uns das alles? Welche Schnitte können wir auf Grundlage dieser Charts ziehen?
Der Crash ist vor allem ein Crash von Memecoins. Solana und Raydium, die zusammen die wichtigste Plattform für Memecoins bilden, stürzen beide gleichermaßen massiv ab. Ethereum, das vor allem als Plattform für Dezentrale Finanzen (DeFi) dient, bleibt viel stabiler. Und Monero, eine der wenigen Kryptowährungen, denen weniger ein spekulativer als ein tatsächlich nützlicher Wert zugeschrieben wird, läuft sogar konträr zum Trend.
Ein Blick in die Übersicht der Memecoins auf coinmarketcap bestätigt dies: So gut wie jeder hat in den letzten sieben Tagen sehr viel mehr verloren als Bitcoin und Ethereum
Aber – ziehen die Memecoins Bitcoin und den Rest des Marktes mit sich hinab? Oder leiden sie, als der Teil des Marktes, der bei fragiler Basis am stärksten überbewertet war, am meisten darunter, wenn Bitcoin fällt?
Der Frage kommen wir im Folgenden etwas näher. Wir testen verschiedene Ansätze, um den Crash zu erklären.
Positive Signale
Auf der einen Seite wirkt der Crash unglaubwürdig und nicht nachhaltig. Denn die Großwetterlage ist an sich ziemlich günstig:
- Mehrere US-Bundesstaaten bringen Gesetze für Bitcoin-Reserven voran. Der Staatsfonds von Abu Dhabi hat bereits in Bitcoin-ETFs investiert, der von Norwegen indirekt, über MicroStrategy, wie auch die Schweizer Nationalbank. Weitere Zentralbanken, etwa in Tschechien, haben ein starkes Interesse, während in den USA derzeit die Pro-Bitcoin-Senatorin Cynthia Lummis eine Bitcoin-Reserve vorantreibt, und ein neuer Staatsfonds ebenfalls Bitcoins aufnehmen könnte.
- Das Ökosystem der Dezentralen Finanzen steht stabil und skaliert dank der Rollups („Layer-2“) besser denn je. Mit Account Abstraction werden Wallets auf Ethereum intelligent, während Ethereum selbst mit weiteren Upgrades technisch immer besser wird. Das Web3, das Internet der Werte, ist angekommen und gereift.
- Auch das Lightning-Netzwerk, Bitcoins Favorit für einfache Zahlungen, funktioniert dank der weiterhin hohen Preise zuverlässiger als je zuvor. Dazu gibt es die Aussicht, dass mit den USDT ein großer Stablecoin den Weg zu Lightning findet, was für den Bitcoin-Dollar-Handel eine Revolution bedeuten könnte.
- Regulatorisch ist unter der Regierung Trump in den USA eher eine Lockerung zu erwarten. Börsen dürften mehr Freiheiten genießen, die Gefahr, dass Ethereum oder andere große Coins als Wertpapier reguliert werden, ist stark geschrumpft.
- Immer mehr Unternehmen außerhalb der Krypto-Branche beginnen, eine Reserve in Bitcoin anzulegen. Dieser Trend ist zart, besteht aber fort.
- Der Markt hat die Auszahlungen der Gox-Coins bisher gut weggesteckt, während mit den Auszahlungen von FTX erst vor Kurzem eine Dollar-Schwemme eingesetzt hat.
Dies alles sind eigentlich sehr gute Signale, die eher dafür sprechen, dass die Kurse kräftig steigen, anstatt dass sie einbrechen.
Negative Signale
Den positiven Signalen stehen aber auch einige negative gegenüber:
- Ein kaum übersehbares negatives Signal dürfte der Bybit-Hack sein, mit 1,5 Milliarden Dollar der größte Krypto-Hack aller Zeiten. Auch wenn die langfristigen Folgen für den Kurs auch positiv ausfallen könnten, dürfte der Hack kurzfristig einen erheblichen Vertrauensverlust mit sich ziehen.
- Die Regierung Trump enttäuscht viele Bitcoiner, die sich mehr versprochen hätten. Anstatt dass der neue US-Präsident per Dekret Bitcoins für den Staat kauft, wie manche vielleicht erhofft hatten, wird die ersehnte Bitcoin-Reserve der USA erst einmal verschoben: Es gibt Arbeitsgruppen, die ausloten, wie sinnvoll sie ist, damit sie dann, wenn es gut läuft, irgendwann in irgendeiner Höhe eingeführt wird.
- Im US-Bundesstaat Montana wurde ein Gesetz abgelehnt, welches eine Bitcoin-Reserve auf Ebene des Bundesstaates einführen wollte. In anderen Bundesstaaten dagegen ist die Entscheidung noch offen. Aber Montana könnte ein ungünstiges Exempel abgeben.
- In Europa wirkt derweil MiCA, die Regulierung, die auf den Markt eher einen abschreckenden Effekt haben kann. Es wird schwieriger, sich bei Börsen anzumelden, schwieriger, Coins halbwegs privat zu kaufen, schwieriger, mit Stablecoins zu arbeiten und so weiter.
- In den USA spekulieren einige über deflationäre Folgen von Trumps Politik, etwa den erheblichen Abbau von Personal im Staatswesen. Ein stärkerer Dollar könnte Bitcoin und andere als riskant geltende Investments weniger attraktiv machen.
Vermutlich könnte man noch einige weitere Signale aufzählen. Aber ergibt dies viel Sinn?
Die einheitliche Theorie
Es ist schwierig, sich aufgrund der blanken Signale zu entscheiden, ob der Kurs sinken oder steigen sollte. Tendenziell würde ich jedoch sagen, dass die positiven Signale überwiegen, vor allem was die „harten“ Faktoren von Angebot und Nachfrage angeht. Das Ökosystem steht, alles in allem, recht stark da, während es keine allzu ausgeprägten negativen Signale gibt. Was ist dann aber los?
Hierzu zwei Vermutungen:
1.) Der Markt hat erwartet, dass die Preise weiter steigen würden, nachdem Bitcoin die 100.000-Dollar-Schwelle durchbrochen hat. Dabei waren allerlei positive Ereignisse – etwa die Krypto-Reserve der USA – bereits eingepreist. Als der Kurs es dann nicht schaffte, über 100.000 einen festen Sitz zu finden, sondern die Schwelle ständig wackelte und mehrfach fiel, gaben manche Investoren vielleicht auf und verließen ihre Positionen, um sich andere, lukrativer erscheinende Wertpapiere zu kaufen. Der Preis macht in diesem Fall den Preis, und solange es auf der rein technischen Ebene der Charts und Kurse keine stärkeren Signale gibt, scheuen viele Investoren Bitcoin.
2.) Neben der „Bitcoin-Reserve“ hat dieser Bullenmarkt kaum gute Narrative zu bieten. DeSci und DeFAI stehen im Raum und machen an sich Hoffnung, konnten aber bisher nicht wirklich zünden, während das alles überschattende Narrativ des letzten halben Jahres die „Memecoins“ waren. Über Plattformen wie pump.fun wurde der Markt mit einer Welle von nutzlosen Memecoins geflutet, Tausende, Zehntausende, Millionen neue Coins, die nur eine brauchbare Hypothese zu Token und Memecoins übrig lassen – nämlich dass sie samt und sonders Schrott und Scam sind, und dass Token, die auch nur halbwegs brauchbar sind, besser versteckt sind als eine Nadel im Heuhaufen. Zugleich hat ein Ganove, der zufällig US-Präsident wurde, sich mit einem Memecoin unverschämt bereichert, dessen Kurs nun der wachsamen US-amerikanischen Öffentlichkeit vorführt, wie der idealtypische Chartverlauf eines Memecoins aussieht:
Das Memecoin-Narrativ ist geplatzt, und mit ihm vielleicht auch die gesamte „Tokenomics“-These. Dass jedes Token seine Holder und Werte findet, wird unglaubwürdig, wenn jeden Tag eine Flut an nutzlosen, wertlosen Memecoins über den Markt hereinbricht. Shitcoin und Scam werden zur Basis-These, wenn man mit neuen Token zu tun hat; das Vertrauen, das Investoren brauchen, ist ruiniert.
Unmittelbar im Strudel des Memecoin-Zusammenbruchs sind Solana und Raydium sowie klassische Memecoins wie Dogecoin. Aber auch Ethereum, Bitcoin und der ganze weitere Markt werden mitgezogen, solange sie selbst nicht in der Lage sind, positive Signale zu generieren.
Wie es nun weitergehen kann …
Wie es von hier aus weitergeht, ist schwer zu sagen. War der Einbruch nur ein kurzer Zurücksetzer, eine Korrektur, bei der „Touristen“ abspringen, während der harte Kern, die chronischen Hodler, weiter auf ein neues Allzeithoch zusteuert? Oder beginnt nun verfrüht ein Bärenmarkt, der uns für eine längere Zeit mit langsam, aber stetig absackenden Preisen quält?
Die Signale für Bitcoin und Ethereum sind eigentlich ganz brauchbar. Aber solange sie schwach bleiben, könnte sich der Abwärtssog durch die Memecoins fortsetzen und eine generell eher deprimierte Marktstimmung auslösen.
Es wäre, wie gesagt, notwendig, dass Bitcoin einen festen Sitz überhalb der 100.000 Dollar Schwelle findet. Nur dann wird dieses Niveau gesichert sein, nur dann kann es weiter aufwärtsgehen. Ansonsten droht ein Boden deutlich unter 100.000, bei Pi mal Daumen 70.000 oder 80.000 Dollar, und von dort aus – mal sehen.
Auffällig ist, ebenfalls rein technisch gesehen, dass dieser Zyklus von bisherigen abweicht. In bisher keinem Zyklus erreichte Bitcoin so früh eine Spitze, in bisher keinem sackte er nach einem so frühen Hoch so lange ab. Sollte die Rallye in diesem Zyklus zurückkehren und den Preis auf neue Hochpunkte treiben, wäre dies im Vergleich zu vergangenen Zyklen ein Spätzünder, der auf eine auffällig lange Periode des Absackens folgt.
Insgesamt scheint sich das Wachstum von Bitcoin auszuleiern, und man könnte nun die pessimistische These wagen, dass Bitcoin, nachdem er einmal die 100.000 Dollar geknackt hat, ausgewachsen ist und sich nun fürs Erste stabilisiert. Dies muss nicht bedeuten, dass alles kollabiert oder auch nur, dass wir das Beste hinter uns haben. Es würde nur bedeuten, dass man vergebens auf einen explosiven Ausbruch wartet, wie man ihn von vorherigen Zyklen kennt.

Marktzyklen von Bitcoin im Vergleich nach BitBo
Der Elefant im Raum, über den man durchaus spricht, ist jedoch MicroStrategy bzw. nun Strategy, jenes börsennotierte Unternehmen, das mehr Bitcoin angehäuft hat als jedes andere. Strategy-CEO Michael Saylor kauft weiter wie rasend Bitcoins, was aber den Markt offenbar nicht mehr wirklich beeindruckt. Da Strategy mit den Käufen der letzten Wochen, wenn nicht Monate, eher im Minus ist, stellt sich die Frage, ob das Modell gescheitert ist – und ob ein Abverkauf droht, der den ganzen Markt mit sich reisen wird. Was, wenn Strategy gezwungen wird, Bitcoins zu liquidieren, um Schulden zu bezahlen? Kann dies eine Kaskade der Kurseinbrüche auslösen?
Strategy hält rund 44 Milliarden Dollar in Bitcoin, knapp 500.000 BTC. Der Aktienkurs ist seit einem Hoch von gut 450 Euro im November um etwa die Hälfte auf nun weniger als 250 Euro gefallen. Da Strategy große Teile der Bitcoins durch Schulden gekauft hat – durch die Ausgabe von Wandelanleihen für insgesamt 8,2 Milliarden Dollar – spricht dies für ein bedrohliches Szenario.
Allerdings ist Strategy bei einem Durchschnittspreis von gut 66.000 Dollar je Bitcoin weiterhin deutlich im Plus. In relevantem Ausmaß werden Wandelanleihen erst 2027 fällig. Dann können sich Investoren entscheiden, ob sie die Anleihe in eine Aktie umwandeln oder Dollar nehmen. Da die 2027 fälligen Wandelanleihen bei Aktienkursen ausgegeben wurden, die deutlich unter den heutigen liegen, dürften diese keinen Druck ausüben. Erst ab 2028 wäre es denkbar, dass Anleihen in großem Stil gegen Dollar getauscht werden, was tatsächlich Liquidierungen veranlassen könnte, wenn es Strategy nicht gelingt, weitere Darlehen aufzunehmen (und der Bitcoin-Kurs bis dahin nicht gestiegen ist).
Insgesamt ist es also sehr unwahrscheinlich, dass Strategy in absehbarer Zukunft gezwungen wird, Bitcoin abzustoßen. Das Unternehmen kann von einem langfristigen Bärenmarkt schmerzhaft betroffen sein, diesen aber nicht auslösen oder eskalieren. Dies ist einigermaßen beruhigend – bedeutet aber noch lange nicht, dass ein Bärenmarkt zum Bullenmarkt wird.